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Bienvenue en France! Oder: Wie man es nicht macht

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Ich lache. Ich lache LAUT. Kann selbst nicht so richtig glauben, dass ich das geschrieben habe.

Mein letzter Blogpost ist keine 4 Monate alt, und doch denke ich mir: Wenn ich damals gewusst hätte … OMG.

Ich sitze im Apartment von Freunden und starre aufs Meer. Auf den Südfranzösischen Atlantik, genauer gesagt. Den Teil davon, den man vom Örtchen Mimizan-Plage aus sieht, noch genauer gesagt. Die Sonne scheint und die Wellen rollen gemütlich an den Strand.

Das Wasser ist immer in Bewegung, und es scheint, als hätte es einen Charakter. Mal kommt es entspannt herangeschwappt, und man kann durch das hellblaue Nass bis auf den Meeresboden schauen. Dann, vielleicht schon am nächsten Tag, krachen große dunkelblaue Rollen an den Strand, und das Spray der tiefblauen Riesenwellen verleiht dem Ozean etwas Wildes, fast Löwenhaftes.

Ich schmunzele. Über was, weiß ich selbst nicht so genau. Über das Leben. Über die Bewegung im Leben. Über meine Naivität. Über Zufälle. Und dass sie vielleicht keine sind. Über den ganzen Wahnsinn der letzten Monate.

Über all die krassen Sachen. Und über die Ruhe, mit der ich hier nun sitzen kann, während ein Kätzchen sich schnurrend und wärmend an mich lehnt. So, als wäre nichts gewesen.

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Ich denke nach übers nicht mehr Können und trotzdem weitermachen. Übers Angst haben und übers sich hinauswachsen. Über meine … Verrücktheit beschreibt es wohl am besten. Etwas in mir wurde ver-rückt. Befindet sich nun an einem Ort.

Ich schmunzele nochmal, weil ich mich auch darüber freue, dass mich so viele liebe Menschen die komplette Zeit über unterstützt und an mich geglaubt haben. Es noch tun. Die mir Geburtstagspakete geschickt und an mich gedacht haben, selbst wenn ich mit meinen Gedanken sonst wo war.

Ich lache über das Leben und darüber, wie man immer nur damit beschäftigt ist alles zu planen, weil man sich einbildet, man hätte irgendwas unter Kontrolle, und wie es am Ende dann natürlich doch wieder ganz anders kommt.

Und wie einem das Leben immer wieder beweist, dass man einfach gar nix unter Kontrolle hat. Oder nicht besonders viel. Zumindest nicht mit dem Gehirn. Weil der Bauch es einfach viel besser weiß.

Heute kann ich zumindest ein bisschen darüber lachen. Vor ein paar Monaten war‘s irgendwie noch nicht ganz so witzig. Da war die Welle noch ziemlich groß und angsteinflößend. Und auch heute noch rollen ab und an ein paar größere Wellen-Sets an. Aber so langsam lerne ich, sie zu surfen.

Locker-flockig.

Gut, nun habe ich im letzten Blogpost also beschrieben, wie ich im Sommer leicht locker-flockig aus der Hüfte heraus noch in Seignosse (frz. Atlantikküste) die Kündigung meiner Berliner Wohnung in den Briefkasten rangierte, noch ein paar Armbänder kaufte und dann wieder zurück ins Surf-Haus latschte. Easy.

Für mich damals irgendwie eine natürliche Aktion. Ich wusste, es muss so sein. Es muss sich was bewegen in meinem Leben. So, wie das Meer ständig in Bewegung ist.

Die Getriebene.

Nach der Wohnungskündigung ging ich also zurück nach Berlin – mit gemischten Gefühlen. Es war keineswegs so, dass ich nicht ab und zu mal gedacht hätte „was habe ich mir bloß angetan? Bin ich komplett bescheuert …?!“.

Aber ich war wie getrieben. Nach meiner Ankunft in Berlin verging kein Tag, an dem ich nicht mit Hochdruck an allem hinterherjagte, was ich brauchen würde: Wohnung in Frankreich, Auto, Job. Dummerweise alles ziemlich große Dinge. Große Wellen. Etwas zu groß, würde ich rückblickend urteilen. Ich wurde täglich gewaschen und geschleudert. Die Tränen flossen. Manchmal stundenlang.

Dennoch: Das Getrieben sein trug erstmal Früchte: Innerhalb von 2 Wochen organisierte ich mir ein Apartment in Frankreich am Meer, kaufte einen Van (diese Aktion alleine verdient noch einen gesonderten Post, so verrückt wie das war), startete einen neuen Remote-Job und fand eine Nachmieterin für meine Wohnung. Keine Ahnung wie.

Ich war wochenlang so drüber, dass ich das Gefühl hatte, ich würde platzen, wenn ich Samstag abends nicht noch ausgehen und den Kopf frei bekommen konnte. Die Zeit war knapp, und ich stürzte mich trotzdem noch ins Berliner Nachtleben. Es war verrückt und schlimm und schön zugleich. Aber in dem Moment eher schlimm.

Nicht so streng.

„Aber du hattest da ja schon ein Apartment in Frankreich sicher, als du deine Wohnung in Berlin gekündigt hast, oder?“, versucht eine Bekannte mir kurz vor Abreise nach Frankreich zu beweisen, dass ich noch im Besitz eines kleinen Funken Verstandes bin.

„Ach so, ja genau“, lüge ich.

Ich hatte zum Zeitpunkt meiner Wohnungskündigung noch keine sichere Alternative in Frankreich. Das hätte ich einfach wahrheitsgemäß erzählen können, weil es in dem Moment des Gesprächs egal war – zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits etwas in Frankreich sicher. Und meine Bekannte hätte mich niemals verurteilt.

Wiederrum eine andere sehr geschätzte Freundin würde jetzt sagen „Crischi, sei nicht so streng mit dir selbst“. Und wenn ich mir diese Perspektive anschaue, denke ich: Vielleicht habe ich mich einfach ein bisschen geschämt, weil ich selbst wusste, dass, wenn man eine Wohnung kündigt, ohne eine neue Unterkunft in Aussicht zu haben, die Aktion auch mal nach hinten losgehen kann. Und aus diesem Scham heraus habe ich gelogen. Und das, ist auch mal okay.

Big Wave Surfing.

Der Wechsel nach Frankreich war eine einzige gigantische Welle, und ich bekam sie zunächst schlecht in den Griff.

Noch in Berlin arbeitete ich viel zu viel, war schnell erschöpft. Mein Reisepartner bekam einen Tag vor Abfahrt Corona. Ich fuhr 3 Tage lang durch Platzregen und Sturmböen und kam mit dem bis unter die Dachluke vollgepackten Van im Jahrhundertsturm in Frankreich an der Küste an.

Am ersten Abend schaffte ich es wegen dem starken Wind nach einem kleinen Bar-Besuch kaum nach Hause und stand am Ende mit vom Sturm durchnässten Haaren, Panda-Augen und einer Menge Sand im Gesicht vorm Spiegel und erschreckte mich über mein eigenes Bild. Sand, den mir der Sturm ins Gesicht geklatscht hatte, sodass es wehtat.

Mein Apartment war nach kurzer Zeit voller schwarzem Schimmel. Ich merkte, dass mein Job nicht zu mir passte und kündigte wieder. Die Wohnungssuche gestaltete sich schwer. Bienvenue en France!

Und trotz allem: Das Gefühl, in Frankreich irgendwie richtig zu sein, blieb. Ist noch da. Weiß der Geier, warum (wahrscheinlich weiß er es nicht), aber das hat mich immer wieder angetrieben.

Schritt für Schritt.

Die Gute Nachricht ist, dass ich mich wieder selbstständig gemacht habe und vorübergehend bei Freunden in einem wunderschönen Apartment mit zwei schnurrenden Fellnasen in Sichtweite wohnen kann. Ich habe bald tatsächlich meine eigene kleine Bleibe und hatte in den letzten Wochen mehr Hilfe, als ich es mir jemals hätte erträumen können. Es fühlt sich zwar immer noch an, als würde ich auf einem Drahtseil balancieren und könnte jederzeit abstürzen, aber es geht voran, Schritt für Schritt.

Bitte nicht nachmachen. Oder vielleicht doch.

Was ich mit dieser Geschichte sagen will, ist sicher nicht „mach es so wie ich“. Um Gottes Willen, bitte nicht nachmachen, haha.

Aber vielleicht ermutigt diese Geschichte dazu, etwas zu tun, was das Bauchgefühl versucht, einem mitzuteilen. Selbst wenn es erstmal „ver-rückt“ klingt. Oder zumindest mal genauer hinzuhören und sich selbst nicht ständig zu verurteilen, wenn Dinge nicht so laufen, wie man es geplant hatte.

Viele sagen immer zu mir „du bist so mutig“, und schnell wird dann angenommen, ich hätte keine Angst. Das ist absoluter Quatsch und die Menschen, die mich gut kennen, wissen, wie viel Angst ich habe. Und dass ich öfter mal an meine Grenzen komme und dass dann gar nix mehr geht.

Aber manchmal tut es einfach gut, die Angst zu überwinden, Hilfe anzunehmen, und zu machen. In 99 Prozent der Fälle passiert nichts wirklich Schlimmes, außer, dass man endlich mal macht, wovon man sonst immer dachte „aber das geht ja nicht“. Und wenn man dann denkt, dass man es doch lieber wieder anders hätte, dann ist die gute Sache: Es lässt sich auch wieder ändern.

Denn das Leben bewegt sich, so wie die Wellen. Mal ruhig, mal wild, mal irgendwas dazwischen – aber eines tut es nicht: Es steht nicht still.

Genug von Pipi Langstrumpf, denn ich muss Unterlagen für die auch hier vorhandenen Ämter abschicken. Alles also wie immer. Außer, dass ich danach einen Abstecher zum Meer machen werde, hahahahaaaaa. I did it! 😊

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